Das World Handicap System (WHS) auf dem Prüfstand
Die erste Saison seit Einführung des neuen World Handicap Systems neigt sich dem Ende zu. Viele Rückmeldungen aus Clubs und Anlagen, aber auch von Einzelspielern haben uns erreicht. Anlass genug, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Um das Fazit der uns vorliegenden Rückmeldung vorweg zu nehmen: Die Bilanz sieht nicht gut aus.
Da sind zunächst einmal die Stimmen vieler Spielerinnen und Spieler, die sich seit Jahresbeginn nicht nur auf eine neue Berechnungsweise ihres Handicaps („8 aus 20“) einzustellen hatten, sondern auch neue Vokabeln und mathematische Formeln erfassen mussten. Wer sich dadurch mehr Transparenz in der Handicap-Führung erhoffte hatte, wurde jedoch schnell enttäuscht. Denn selbst derjenige, der für die eigene Buchführung fleißig gelernt und nach seinem Zählspiel die Formel „Score Differential gleich Klammer auf 113 geteilt durch Slope Rating Klammer zu mal Klammer auf Gewertetes Bruttoergebnis minus Course Rating minus CR-Korrektur Klammer zu“ parat hatte, musste feststellen, dass er immer noch nicht mit Gewissheit sagen konnte, wie sein Ergebnis in die Berechnung des Handicap Indexes (HCPI) eingeht, weil die CR-Korrektur erst am Ende eines Tages auf Basis aller vorgabewirksamen Spielergebnisse berechnet wird. Wer auf eigene Berechnungen verzichten und auf der vom DGV empfohlenen Internetseite „golf-dgv.de“ nachschauen wollte, musste sich zunächst einmal bei einem externen Anbieter einloggen, um seinen „scoring record“ einsehen zu können. Nicht genug, dass dieser Weg mit der Preisgabe persönlicher Daten verbunden ist – ein Ärgernis, das Abhängigkeiten schafft und unwillkommene Nebenwirkungen beinhalten kann –, er führte häufig auch zur Feststellung, dass das aktuelle Ergebnis auch nach einer Woche noch keinen Eingang in die Handicap-Berechnung gefunden hatte. Turnier-Starts mit einem veralteten HCPI waren zu Beginn der Saison an der Tagesordnung. Darüber hinaus sorgte die Pflicht, jedes Einzel-Turnier vorgabewirksam austragen zu müssen, nicht überall für Begeisterung. Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an clubinternen Turnieren ist allerorten rückläufig.
Auch viele Clubs und Betreiber von Golfanlagen äußern sich kritisch zur Einführung des WHS in dieser Saison. Die oben beschriebene Intransparenz bei der HCPI-Berechnung hatte vermehrte Anfragen und Bearbeitungsvorgängen in den Club-Sekretariaten zur Folge. Die strikte Vorgabe, Einzelzählspiele und Stableford-Turniere immer vorgabewirksam durchführen zu müssen, sorgte für einen Rückgang bei Sponsorenturnieren. Führten früher die Clubsekretariate das Stammblatt, so ist diese Aufgabe vollständig auf den DGV übergegangen. Befürchtungen werden laut, dass sich der DGV seiner Basis, und das sind schließlich die Clubs und Anlagen, entfremdet und immer mehr zu einem Verband mit direktem Zugang zum Einzelspieler wird. Fragen der Verwertbarkeit der Daten stehen im Raum. Denn schließlich gilt in unserer digitalisierten Welt immer mehr: Wer die Daten hat, hat die Macht. Es tut daher wenig wunder, dass sich bereits eine Opposition unter der Überschrift „Golf in Bewegung“ formiert hat, die sich eine Korrektur der Digitalisierungsstrategie des DGV auf die Fahne geschrieben hat.
Gänzlich im Abseits stehen die Landesgolfverbände. Sie tauchen im Katalog der Rechte und Pflichten so gut wie gar nicht mehr auf. Ohne eigene Entscheidungsbefugnisse sind sie dennoch darauf festgelegt, durch Auskunfts- und Informationspflichten das System mitzutragen. Auch hier beobachten die Geschäftsstellen ein vermehrtes Beschwerde-Aufkommen – ohne in der Lage zu sein, Abhilfe zu schaffen.
Es ist Zeit, mit einem offenen Erfahrungsaustausch aller Beteiligten die Einführung des WHS auf den Prüfstand zu stellen und dabei auch auf andere Golfnationen zu blicken, die weniger päpstlich als der Papst waren, als es galt, die Vorgaben des WHS in die nationale Praxis umzusetzen.
Fortsetzung folgt….