Golf-Verband

Niedersachsen-Bremen e.V.

Auf ein Wort mit ... Anka Lindner

Erst mit 15 Jahren nahm Ann-Kathrin Lindner erstmals einen Golfschläger in die Hand, elf Jahre später feierte sie als Profi ihren ersten Toursieg. Seit Anfang 2023 ist „Anka“ hauptamtliche GVNB-Landestrainerin und lässt ihre Kaderathletinnen und -athleten von ihrer Erfahrung profitieren. 

 

Wann warst Du nervöser – vor der letzten Runde Deines Sieges auf der European Tour 2013 oder bei Deinem Auftritt vor einem Millionenpublikum bei „Wetten, dass …?“ 2011?

Auf jeden Fall bei „Wetten, dass …?“, weil es ja nicht meine Komfortzone war, in einen Basketballkorb zu chippen. Klar, auch an Bahn 18 in Pilsen war ich supernervös, aber diese Situation als Führende bei einem solchen Turnier war mir zumindest nicht ganz unbekannt – im Gegensatz zu einer Wette in einem Fernsehstudio. Da bin ich erst sehr spät in einen Flow gekommen, weil ich wegen der Nervosität meinen Rhythmus umstellen musste. In der Übungswoche in St. Leon-Rot, habe ich in den 90 Sekunden viel mehr Kontakte gehabt und somit auch mehr Treffer.

 

Welche Tipps gibst Du Deinen Nachwuchsathleten, wie sie mit Nervosität vor einer Turnierrunde umgehen?

Vor der Runde finde ich es zum Beispiel immer gut, wenn man sich nochmal zurückzieht und einen Song hört, der einen möglicherweise auf fröhlichere Gedanken bringt oder eine positive Stimmung versetzt. Atemübungen sind auch eine Möglichkeit. Oder wenn man so etwas wie ein Erfolgstagebuch führt, mit dem man sich an erfolgreiche Runden oder Momente erinnert und sich auf diese Weise hervorruft, was man gut kann und schon erreicht hat. Das sind Tools, die einen bei Nervosität beruhigen können. 

 

Können Rituale vor Runden helfen?

Ja, auf jeden Fall – etwa die Warm-up-Routine, die bei mir immer in der gleichen Reihenfolge abgelaufen ist: Ich habe mit dem Putten angefangen und bin dann länger geworden, Chippen, Pitchen, Bunker, Range und dann noch 3-4 Putts mit kompletter Routine wie im Turnier. Ein Ritual war bei mir auch das Markieren der Bälle direkt vor dem Start – dabei konnte ich immer gut herunterkommen. Und: Ich war auch nie zu früh am Abschlag. Immer rechtzeitig, klar, aber auch nie zu früh.  

 

Was sind die größten Herausforderungen für einen talentierten und ambitionierten Nachwuchsgolfer?

Eine der größten Herausforderung ist es sicherlich nicht zu früh auf einer Erfolgswelle zu schwimmen und sich dann darauf auszuruhen. Wenn man in seiner Altersklasse schon früh sehr erfolgreich ist und glaubt „hey, ich bin eh besser als die anderen“, dann besteht die Gefahr, nicht weiter hart an seiner Weiterentwicklung zu arbeiten. Und gegebenenfalls ist man ja aufgrund körperlicher Vorteile besser als seine Konkurrenten und sobald diese körperlich aufgeholt haben, überholen sie die Frühstarter meistens.

 

Dazu passt eine Aussage von Scottie Scheffler, der jüngst erzählt hat, wie ihm sein Jugendtrainer immer wieder gesagt habe: „Es geht nicht darum, der beste 15-Jährige, sondern der beste 25-Jährige zu sein“. Das unterschreibst Du demnach?

Absolut. Ganz wichtig ist es aber auch, immer wettkampforientiert, anstatt ständig das Gleiche zu trainieren. Man muss sich auch im Training immer wieder herausfordern und in Situationen zu bringen, in denen man sich anpassen passen muss – also außerhalb der Komfortzone trainieren. Mit vielen Wiederholungen aus einer Standardzone möchte man sich natürlich Sicherheit holen – aber man sieht so oft auf dem Platz, dass sich die Kids schwertun, sich anzupassen, wenn der Ball mal nicht so gut liegt. 

 

Welche notwendigen Qualitäten ergeben sich aus diesen Herausforderungen?

Oh, da gibt es viele … Zu den wichtigsten Qualitäten gehört neben Disziplin und Fleiß auch eine gewisse Lockerheit, nicht alles immer zu ernst zu nehmen. Ferner muss man in der Lage sein, sich anpassen zu können – die Schläge, die man in bestimmten Situationen braucht, zu „fühlen“. Also die Antizipation und Intuition zu haben und sich damit auf die jeweilige Situation einstellen zu können. Wichtig ist auch, wenn es mal nicht so läuft, den Glauben an sich und seine Stärken nicht zu verlieren. Nicht zu vergessen Geduld, Resilienz …

 

Was waren Deine größten Stärken als Spielerin?

Meine größte Stärke war es, dass ich das Spiel verstanden und gespielt habe – und mich von schlechteren Schlägen nicht groß habe runterziehen lassen. Ich konnte mich gut an Bedingungen und Situationen anpassen und hatte aufgrund meiner hohen Variabilität für die meisten Aufgaben eine Lösung. Daher war es nicht schlimm, mal das Grün zu verfehlen oder am Wald zu liegen. Ich wäre sicherlich gerne länger gewesen, aber wenn man nicht so lang ist, haut man auch nicht so viele Bälle weg – entsprechend war es sicherlich auch eine Stärke, den Ball immer im Spiel zu halten und den Platz taktisch klug zu spielen, anstatt zu ballern. Ich denke, dass sich besonders die taktische Herangehensweise der Pros extrem von der Spielweise der Amateure abhebt.

 

Außerdem war ich total ehrgeizig, mein Spiel täglich weiterzuentwickeln und Schlagarten auszuprobieren, was mir aber auch viel Spaß gemacht hat. Gleichzeitig bin ich mit einer großen Dankbarkeit an meinen Beruf gegangen und mir war es wichtig, neben dem Training Zeit mit meinen Freunden zu verbringen oder Fußball zu spielen. Fußball ist, auch wenn ich es nicht mehr spiele, eine sehr große Leidenschaft von mir. 

 

Hast Du aus der Menge an Zitaten über den Golfsport ein Lieblingszitat?

„Jeder Tag, den du nicht trainierst, ist ein Tag, den du brauchst, um besser zu werden.“ Mit diesem Satz bin ich wohl jeden Abend eingeschlafen und jeden Morgen aufgewacht. Ich habe sehr spät mit Golf angefangen und das Glück gehabt, mit 22 Jahren als Quereinsteigerin noch in die Nationalmannschaft zu kommen. Der Trainer hat mich damals mit den Worten begrüßt: „Das ist nicht das Ziel, das ist erst der Anfang“, und da die anderen Spielerinnen ja teilweise einen Trainingsvorsprung von mehr als zehn Jahren hatten, habe ich versucht, diesen Rückstand durch noch mehr Training zu kompensieren. 

 

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